top of page

Resilienz – jetzt erst recht und bitte sofort!

  • Autorenbild: Sabine Ursel
    Sabine Ursel
  • 24. März
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Apr.

Seufzen, Abwarten, Aussitzen, Beharren … Das war noch nie eine echte „Strategie“. Aber wenn Satire die Realität überholt, dann ist es richtig ernst. Gezielte Provokationen sind an der Tagesordnung. Tradierte „Gewissheiten“ und vermeintlich übergeordnete „westliche Werte“ werden gerade vehement über den Haufen geworfen. Was vor der US-Wahl noch als irrwitzig motiviert bzw. verargumentiert galt, lässt sich nicht mehr als „partnerschaftlich“ aus- und wegdiskutieren. Die alte „Wertegemeinschaft“ muss sich neuformieren bzw. buchstäblich verteidigen.


Gewiss ist mittlerweile nur: Planbarkeit war gestern. Disruption ist und bleibt die neue Realität. Der Faktor Geopolitik hat sich auf die Risikolandkarte eingebrannt. Das Korsett wird enger und enger. Der Umgang damit kann nur lauten: Es gilt, Resilienz systematisch herbeizuführen, um sich im Wettbewerb (weiter) behaupten zu können. Der Resilienz-Begriff geistert seit längerem durch den ökonomischen Diskurs, die Bedeutung ist aber noch längst nicht in allen Unternehmerköpfen angekommen.


Es gibt kein „weiter so“ mehr

Jeder Unternehmenslenker sollte sich bewusst machen, dass belastbare Resilienz-Maßnahmen nicht ohne weitsichtig und pragmatisch ausgerichtete Einkäufer, Logistiker und Supply Chain Manager umsetzbar sind. Diese Experten agieren emsig hinter dem Vorhang. Sie müssen steuern. Sie müssen die Versorgung auch in Krisenzeiten sichern (können). Sie sollen den großen, bunten Strauß aktueller und potenzieller „Negativ-Events“ sowie deren (makro-)ökonomische Auswirkungen laufend im Blick behalten. Und die Liste möglicher Risiken ist lang: potenzielle Versorgungsengpässe (z.B. De-Risking-/De-Coupling-Fragen in Sachen China/Taiwan) – global bedrohte Transportrouten – kritische Energie- und Rohstoffversorgung – Volatilität in Sachen Nachfrage, Währungen und Preise sowie Materialverfügbarkeiten (Halbleiter, seltene Erden etc.) – lähmende Regulatorik – gefährliche Cyber-Problematik – akuter Fachkräftemangel – folgenreicher demografischer Wandel … Das sind wohlgemerkt Beispiele.


Und nun muss die ohnehin diffizile Gemengelage auch noch unter dem Bogen „disruptive Geopolitik“ gemanagt werden. Das erfordert von Geschäftsleitungen und Führungskräften Einsicht und Weitblick. Und damit stehen die Macher zugleich vor der keineswegs lapidaren Frage: Was sagen wir wie unseren Mitarbeitenden und Partnern? Wie transportieren wir die Bedeutung von Resilienz? Wie wird unser gesamtes Unternehmen mit unseren Menschen, Prozessen und (globalen) Lieferketten widerstandsfähig? Welche Beiträge erwarten wir künftig vom wem? Ausgangspunkt von Veränderung ist die Erkenntnis, dass es kein „weiter so“ mehr geben wird.


Selbstbild vs. Fremdbild

Aber Vorsicht! Wie überall im Leben klaffen auch in den Unternehmen nicht selten Selbstbild und Fremdbild weit auseinander. Beispiele:


Wie resilient kann ein Unternehmen sein, in dem z.B. noch immer über Faxgeräte kommuniziert wird? Man mag es kaum glauben, aber die Erfahrung zeigt, dass diese Art „Technik“ zumindest in nicht wenigen KMU zu den täglich genutzten Arbeitsmitteln gehört, während andere sich längst mit (ersten) KI-Projekten beschäftigen und das dann auch von ihren Partnern einfordern werden.


Die Erfahrung zeigt auch, dass so mancher Einkaufsleiter – durchaus auch aus größeren Unternehmen – tatsächlich noch immer meint, dass ein (wichtiger) Lieferant ihn bei einer Havarie schon „als Ersten“ informieren würde … Man habe ja schließlich immer gut zusammengearbeitet … Tool-basiertes Risk Management, wohlgemerkt mit Szenario-Berechnungen und konkret vordefinierten Handlungsdefinitionen? Ja, das sei interessant, aber es koste ja auch eine Menge … Die Geschäftsleitung sei der Meinung, man werde im Krisenfall dann schon richtig handeln, wenn es erforderlich werde … Im Ernst? Und wenn dann obendrein ein Vertreter (Einkäufer etc.) eines solchen Unternehmens sein „fortschrittliches Vorgehen“ anhand von Präsentationen auf Fachveranstaltungen als „Best Practice“ vorstellt, ist im Zuhörerbereich auch schon mal lautloses Lachen vernehmbar.


Resilienz bedeutet, das bisherige Vorgehen zu hinterfragen, Fehleranalyse bewusst anzustoßen, historische falsche Annahmen zu erkennen, aus Fehlern zu lernen und als Konsequenz daraus rasch adäquate Maßnahmenbündel zu schnüren. Fakt ist: Das Resilienz-Verständnis reicht weit über klassisches Risikomanagement hinaus.


An dieser Stelle eine (ausnahmsweise längere) Beschreibung des erfolgskritischen Faktors Resilienz:

"Im industriellen Kontext wird Resilienz als die Fähigkeit definiert, mit äußeren Belastungen und Störereignissen umgehen zu können, sodass die Handlungsfähigkeit, der Betriebserfolg und damit die Existenz von Unternehmen gesichert sind. Resilienz betrifft das gesamte Produktionssystem und die Unternehmensorganisation und ist deshalb eine Kernkompetenz eines Unternehmens.


Resilienz zu erzeugen und zu erhalten ist ein fortlaufender Strategieprozess, der eng mit Früherkennung verbunden ist. Das Management vernetzter Produktions- und Produkt-Service-Systeme stützt sich dabei auf Umsetzungsstrategien wie Agilität, Adaption und Innovation und den in diesen Kontexten entwickelten Instrumenten wie: Früherkennung, modulare Systemplanung, reversible Leistungsstufen, Technologie- und Datensouveränität etc.


Eine besondere Herausforderung ergibt sich für die Unternehmen, wenn sie Teil von Wertschöpfungsnetzwerken sind. In diesem Fall ergibt sich Resilienz nicht nur im Unternehmen selbst, sondern auch in der Lieferkette bzw. dem gesamten Netzwerk. Die Unternehmen sind gezwungen, bereichs- und branchenübergreifende Kollaborationsstrukturen sowie Alternativen zu etablieren, Datenverfügbarkeit zu organisieren und eine Rollenverteilung im Wertschöpfungssystem aufzubauen – oder sich in bestehende Strukturen hierzu einzubringen.


Aspekte der Vernetzung und der Einsatz moderner Technologien alleine reichen jedoch nicht aus, um die Resilienz in Unternehmen zu sichern: Auch die Kompetenzen der Beschäftigten und die kontinuierliche Personal- und Organisationsentwicklung sind kritische Faktoren für ein robustes, widerstandsfähiges Unternehmen. So tragen zum Systemdenken und Denken in Szenarien qualifizierte Beschäftigte dazu bei, das Wertschöpfungsnetzwerk als Ganzes abzusichern.“

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2023)


Alles ganz schön „herausfordernd“, oder?

Was ist zu tun? Beispiele:
  • Resilienz-Management muss als dringende Erfordernis erkannt werden.

  • Der bloße Begriff muss praktisch „auf die Straße“ kommen: Was bedeutet er für konkret für unser Unternehmen?

  • Was bedroht unser Geschäftsmodell aktuell, morgen, übermorgen?

  • Welche negativen Ereignisse sind planbar – und welche nicht?

  • Wie gehen wir konkret mit nicht planbaren Ereignissen um?

Stichworte: geopolitische Einflüsse, Zölle, (Klima-)Katastrophen (auch an entlegenen Standorten mit eigenen Werken bzw. denen von wichtigen Zulieferern), Insolvenzen von Lieferpartnern, weltweite Zugangsbeschränkungen, plötzlich schwindende Verfügbarkeiten etc.

  • Welche konkreten Maßnahmen definieren wir?

Ziel: geordnetes Vorgehen, vordefinierte Prozessschritte, eindeutige Zuständigkeiten im Schadeneintrittsfall

  • Welche E-Tools helfen uns dabei?

„Zu hohe“ Kosten sind kein Gegenargument – die Havarie eines wichtigen Lieferanten beispielsweise kann fatale wirtschaftliche Konsequenzen haben, die Software-Kauf inklusive Implementierung bei Weitem übertreffen! Dazu gehört auch der Imageverlust.

  • Wie beziehen wir Partner ein?

  • Welche Beiträge zur Resilienz erwarten wir von ihnen?

  • Wie weit sind unsere Wettbewerber in Sachen Resilienz?

Szenario: Wen beliefert ein Partner in einer Engpasssituation wohl zuerst?

Ziel: Wir wollen vor Anderen agieren bzw. möglichst früh handlungs-/lieferfähig sein.

  • Welche externen Experten können uns bei der komplexen Thematik unterstützen?


Und: Wie beziehen wir unsere Mitarbeitenden ein?
  • Was bedeutet Resilienz für den Einzelnen, für Abteilungen, Schnittstellen und übergreifende Teams?

  • Welche Trainingsmaßnahmen sind für wen geeignet?

  • Welche Bedeutung hat Resilienz für den privaten Kontext?


Trainingsunterstützung
  • Wie „transformieren“ wir bisherige „Denke“? Mindset-Thematik ist nicht zu unterschätzen!

  • Wie definieren wir künftig „Leadership“?

  • Welche neuen Skills brauchen unsere Führungskräfte und Mitarbeitenden?

  • Welche Trainingsmaßnahmen müssen wir für welche Teams aufsetzen?

  • Welche Schnittstellen holen wir in Trainings an einen Tisch?

  • Wie fördern wir interkulturelle Kompetenzen?

  • Wie gestalten wir künftig partnerschaftliche interne sowie externe Stakeholder- Kommunikation?

  • Wie lässt sich interne und externe Kommunikation menschlicher gestalten?


Checklisten: © Sabine Ursel


Akzeptanz!

Heike von Borries (Trainerin beim Best Practice Institute – BPI, Wiesbaden) beschäftigt sich intensiv mit Resilienz bei Führungskräften und Teams: „Das Thema ist in allen Branchen und allen Unternehmensbereichen akut – an den Schreibtischen, im Vertrieb, in der Produktion. Und immer geht es darum, auch einschneidende und bedrohlich erscheinende Veränderungen erfahrbar, ver- und konkret bearbeitbar zu machen.“ Den Rahmen bilden beispielsweise neue Markterfordernisse, Anpassung an neue Geschäftsmodelle, geplante Digitalisierungsprozesse, Implementierung technischer Tools bzw. komplexer Systeme. „Auch Wachstum durch Zukäufe bedeutet für die Mitarbeitenden einen nicht zu unterschätzenden Veränderungsbedarf“, betont die Expertin.


„Akzeptanz“ sei eine wichtige Voraussetzung für Trainingserfolge in Sachen Resilienz, erklärt Heike von Borries. Wer verstehe, warum es künftig kein „weiter so“ geben kann, bringe sich motovierter ein. „Resilienz ist ein breites Feld, das auch in den privaten Bereich reicht. Ein widerstandsfähiges Unternehmen entsteht erst durch widerstandsfähige Mitarbeitende.“ Weitere sechs Resilienz-Bausteine in ihren BPI-Trainings: Optimismus, Lösungsorientierung, Verlassen der Opferrolle, Übernahme von Verantwortung, Nutzung von Netzwerken und Planen der Zukunft.


Sabine Ursel, 24. März 2025, www.sabine-ursel.de







 
 
 

Comentarios


bottom of page