Storytelling in Vertrieb + Einkauf: Belastbaren Content mit überzeugenden Geschichten verbinden
- Sabine Ursel

- 13. Nov.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Nov.
Vertriebler sollten „gut reden“ können – schließlich haben sie ein bestimmtes Ziel vor Augen. Maßstab für Erfolg ist freilich nicht die bloße Anzahl abgesonderter Sätze, sondern der Gehalt der Aussagen. Keine neue Erkenntnis. Aber warum wissen Viele das in der Praxis nicht hinreichend umzusetzen? Und auch so mancher Einkäufer muss noch lernen, im eigenen Unternehmen für ehrgeizige Ziele zu werben. Lesen Sie hier, wie das durch geschicktes Storytelling gelingt.
(1) Vertrieb: Ohne „Wissen“ und „Verständnis“ keine gute Story
Verbales Geschick allein macht noch keinen guten Vertriebler aus. Erst das richtige Maß an emotionaler Intelligenz, Gespür auch für nonverbale „(An-)Zeichen“ der anderen Seite sowie Problemlösungsfähigkeit machen den entscheidenden Unterschied. Und: natürlich eine gute Vorbereitung! Dazu gehört, den Kunden in seiner momentanen Lage zu analysieren und seine (wahrscheinlichen) Bedürfnissen zu „verstehen“. Erst dann kann man ihm in Gesprächen bzw. Verhandlungen „zu denken geben“, nämlich belastbare Argumente, Nutzwert, Vorteile, Konsequenzen – alles aufbereitet in einer guten Story.
Verständnis muss erarbeitet werden. Beispiele: In welcher ökonomischen Lage befindet sich die Branche? Wie hat das Kundenunternehmen bisher agiert? Wie sieht dessen Marktstellung und Wettbewerbsstruktur national/international aus? Und wie die Lieferantenstruktur? Von welchen Volatilitäten werden die Geschäfte beeinflusst – heute und morgen? Ebenfalls gut zu wissen: In welcher Ausprägung wird dort Risikomanagement betrieben? Beim komplexen Thema Risiko lässt sich in der Regel gut andocken (vor allem, wenn man selbst einen Part zur Risikominimierung beim Kunden beitragen könnte ...).
Besonders bedeutsam wird es, wenn die Vertriebsseite in der Lage ist, Kenntnisse über die (internen!) Kosten- und Preisstrukturen der Kundenseite zu eruieren. Warum und wann verändern sich die Produktkosten? Wobei und warum gibt es (noch) „Make“ statt „Buy“? Klar ist, dass die Aufarbeitung dieser (und weiterer) Informationen eine akribische Vorbereitung erfordert. Dabei müssen Kollegen anderer Abteilungen mitarbeiten, etwa Marketing.
Zu den Hausaufgaben gehört freilich auch die Beschäftigung mit „soften Elementen“: Welche Motivation und welche Erwartungen dürften auf Seiten des Verhandlungspartners bestehen? Welchen möglichen Zweifeln ließe sich wie begegnen? Ziel muss es sein, bei Widerständen souverän zu bleiben und einen gemeinsamen Boden zu finden. Je mehr Wissen der Vertriebler hat, desto mehr Gramm hat er für eine „pfundige“ Story.
Storytelling: Menschen lieben „Geschichten“
Nun gilt es also, den belastbaren Content geschickt mit einer guten Geschichte zu verbinden. Die ist in Verhandlungen dann ein dicker Tupfen auf dem „i“. Storytelling wird in der Regel im Marketing als Methode eingesetzt: im Rahmen von Anzeigen, Social Media, auf der Website. Vertriebler sollten sich dieses Werkzeug auch zu eigen machen. Dabei ist es wichtig zu verstehen, warum Stories Menschen bewegen und welche Motive emotional berühren. Menschen lieben Geschichten, bei denen sie andocken können. Dahinter stehen psychologische Aspekte, die über die reine Sachebene hinaus reichen.
„Eine gute Geschichte in Form einer Heldenreise wirkt wie ein Gedächtnisanker, so dass uns die geteilten Informationen lange im Kopf bleiben. Sie folgt einer klaren Struktur und macht damit das Verstehen leichter. Eine gute Geschichte verbindet uns mit dem Gegenüber und stärkt die Beziehungsebene, die oft weiter hallt als nüchterne Zahlen und Fakten“, verdeutlicht BPI-Trainerin Maren Riegler. Um später eine Geschichte optimal erzählen bzw. präsentieren zu können, brauche es zuvor ein umfassendes Verständnis für die Zielgruppe (Herausforderungen, Interessen, Ziele sowie Kommunikationsbedürfnisse), ein klares Ziel, einen eindeutigen Zweck sowie einen wohlüberlegten Medieneinsatz. Maren Riegler bringt es so auf den Punkt: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“
Beispielbereiche zum Andocken: Risikolandschaft, bestehende und drohende Abhängigkeiten, (Preis-)Trends, Wiederbeschaffungszeit, Nachhaltigkeit, Qualität, Langlebigkeit ... Es sollten Bilder im Kopf entstehen. Das Gehirn verarbeitet Impulse. Auf der einen Seite stehen Ratio, Zahlen, Fakten, Logik – auf der anderen Seite Emotion, Relevanz, Betroffenheit. Auf der Beziehungsebene wird beim Gegenüber bei entsprechender Ansprache im Idealfall das „Glückshormon“ Oxytocin entfacht.
Also: Welche Daten bzw. wesentlichen Informationen lassen sich passend anschaulich visualisieren? Die Interpretation muss freilich stimmen und rasch einleuchten. Die Botschaften müssen sich verankern lassen. Das Angebot sollte Veränderung bzw. Verbesserung sowie Vorteile zeigen, um (Kauf-)Entscheidungen positiv zu beeinflussen. Am Ende sollte eine eindeutige Call-to-Action (CTA = Handlungsaufforderung) stehen.
(2) Einkauf: Perspektivwechsel in die Schuhe der Bedarfsträger
Storytelling ist im Einkauf ein bisher selten genutztes Instrument. Warum eigentlich? Denn auch hier liegen die Vorteile auf der Hand!
Maren Riegler skizziert ein Praxisbeispiel:
Sie erkennen als Einkäufer, dass es aufgrund steigender Anforderungen (z.B. durch Endkunden oder Gesetzgeber), durch schwierige Marktbedingungen (Verringerung der Lieferantenanzahl, gestörte Lieferkette etc.) und/oder stetige Kostensteigerungen bei kleiner werdenden Budgets notwendig ist, ein Produkt oder eine Dienstleistung strategisch zu beschaffen. Eine mit den Bedarfsträgern erarbeitete Warengruppenstrategie muss her, die Versorgungssicherheit, Vorantreiben von Qualität und Innovationen sowie Kosteneinsparungen liefert.
Aber: Bisher ist jeglicher Versuch gescheitert, die Bedarfsträger mit sinnvollen Argumenten für eine motivierte Mitarbeit zu überzeugen. Es fehlt an Zeit und Erkenntnis, dass eine Warengruppenstrategie auch die Bedarfsträger bei ihrer Aufgabenerfüllung unterstützen würde. Schließlich seien ja auch ohne eine solche Strategie bisher alle Bedarfe erfüllt worden, wie es allgemein heißt. Für Viele ist der Einkauf ohnehin noch immer lediglich Bestellschreiber, Paragrafen-Wächter oder Kostenoptimierer ...
Hier hilft Storytelling! Ausgangspunkt ist der Perspektivwechsel in die Schuhe der Anderen: Welche Herausforderungen, Interessen und Ziele haben die Bedarfsträger? Wie und wobei könnte ihnen eine gut durchdachte Warengruppenstrategie helfen – etwa bei erfolgskritischen Faktoren wie Effizienz, Einhaltung des Budgets, Reklamationsminimierung, Innovationskraft der Lieferanten oder interner Zusammenarbeit durch Abbau des internen Silo-Denkens?
Mit wohldosiertem Zeitaufwand und gut vorbereiteten Fragen sollten Sie in Gesprächen mit den Bedarfsträgern den Mehrwert erarbeiten. Wenn es gelingt, Zweck und Ziel für Storytelling herauszukristallisieren, dann haben Sie eine Beziehung hergestellt. Kommunikation funktioniert am besten, wenn Sie wissen, was Ihren Bedarfsträgern wichtig ist.
Nun lassen Sie Ihre Erkenntnisse in das richtige Medium fließen und Sie haben Ihre Bedarfsträger im Kick-off der gemeinsamen Strategiearbeit an Bord. Sie sind jetzt Verbündete. Stück für Stück entsteht ein klares Bild für die zukünftige Warengruppenstrategie. Krisen, die früher Bedarfsträger und Einkauf zum Firefighting gezwungen haben, treten seltener auf bzw. führen nicht (mehr) ins Chaos. Unsicherheiten (z.B. Alternativlosigkeit) sind durch die Strategiearbeit bereits erkannt und minimiert, und bestenfalls haben Sie einen von allen durchdachten Plan B bereits in der Tasche. Dank geschicktem Storytelling hat der Einkauf nun einen starken Partner in seinen Fachbereichen.
Fazit
Es geht darum, die Zielgruppe in deren Welt zu erreichen und sich dann gemeinsam zu entwickeln. Die Fähigkeit zum Perspektivwechsel befördert Vertrauen. Die wahre Kunst ist es, zum Sender von überzeugenden Botschaften zu werden, Komplexes nachvollziehbar zu erklären und Betroffene zu Beteiligten zu machen. Der beschriebene Prozess (vom Verstehen der Kunden- bzw. Bedarfsträgerseite, Sammeln und Aufbereiten fallgeeigneter Informationen über Konstruktion einer zielgruppengenauen Story) lässt sich in Teamtrainings gut üben.
Zusatz: Verbales Geschick und Storytelling gilt es mit adäquater Mimik und Gestik zu würzen – Stichwort „Authentizität“. Lesen Sie dazu meinen Beitrag „Charisma ... kann man erlernen!“
Sabine Ursel, 13. November 2025, www.sabine-ursel.de



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