Claim Management: Konsequenzen und unausweichliche Konflikte antizipieren
- Sabine Ursel

- 9. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Wer bei komplexen (Investitions-)Projekten Nachforderungen „managen“ muss, gewinnt immer dann, wenn er im Vorfeld seine Hausaufgaben gemacht hat. Und die beginnen maßgeblich mit den vertraglichen Vereinbarungen. Was gehört unbedingt in Verträge? Was ist zu tun, wenn von Liefer- bzw. Dienstleistungspartnern vertraglich Zugesagtes nicht eingehalten wurde? Mit Rechtsanwalt Christian Hald, der für das Best Practice Institute auch den Aspekt Claim Management schult, habe ich die Thematik genauer unter die Lupe genommen.
Was ist Claim Management genau?
So beschreibt es z.B. die Bundesagentur für Arbeit:
„Claim-Manager/innen übernehmen Aufgaben im Nachforderungsmanagement. Hier geht es u.a. darum, die wirtschaftlichen Folgen von nicht vorhersehbaren Ereignissen im Projektverlauf wie Lieferengpässen, Materialfehlern oder Änderungen aufgrund neuer Vorschriften mit den Vertragspartnern einvernehmlich zu klären. Um Nachforderungen oder Gewährleistungsansprüche zu vermeiden, eruieren Claim-Manager/innen bereits in der Angebotsphase, welche Störfaktoren sich auf die termin- und qualitätsgerechte Leistungserbringung auswirken könnten und handeln die Aufnahme dieser Fälle in die Verträge aus.“
Und: „Kommt es zu Ablaufstörungen oder Abweichungen bei Vertragspartnern, z.B. Zulieferbetrieben, die die reibungslose Abwicklung von Aufträgen behindern, ermitteln Claim-Manager/innen, ob bzw. in welcher Höhe Ansprüche gegen das jeweilige Unternehmen bestehen und setzen sie durch.“
Für sauberen Sachverhalt sorgen!
Fakt ist: Nicht jedes Unternehmen verfügt über einen ausgewiesenen Claim-Management-Experten. Also sind diejenigen gefragt, die die Fleißarbeit in den Verträgen gemacht haben. Fälle bzw. Forderungen gewinnt man nicht damit, dass man jedes Gesetz auswendig kennt. Juristen können dies nicht, warum sollte es dann der Einkauf oder der Vertrieb kennen? Fälle gewinnt man mit einem sauberen Sachverhalt! Im Gegensatz zu Juristen kennen den Sachverhalt aber ausschließlich diejenigen, die den Vertrag verhandelt haben. In der Konsequenz: Der Jurist kann nur so gut sein, wie der Sachverhalt ist!
„Guter“ oder „schlechter“ (Vertrags-)Sachverhalt?
Umso wichtiger ist es, sich mit in der Regel unausweichlicher „Konflikte“ bereits vor umfangreichen Vertragsschlüssen intensiv zu befassen – insbesondere vor komplexen (Capex-)Prozessen. Hierfür ist unabdingbar, eine Vorstellung zu haben, welche juristische Konsequenz ein „guter“, aber auch ein „schlechter“ (Vertrags-)Sachverhalt hat. Mit ganz wenig juristischem Know-how erklärt sich plötzlich, warum man das eine oder andere in Verträgen macht oder was man vielleicht auch besser weglässt. Handeln, insbesondere vertragliches Handeln, hat Konsequenzen. Ziel muss immer sein, das Unternehmen gerade in diesem erfolgskritischen Bereich bestmöglich abzusichern.
BPI-Rechtsexperte Christian Hald nennt wichtige Fragen:
Bei welchen gegnerischen Klauseln ist Vorsicht geboten? (Haftungsausschlüsse etc.)
Was hat es eigentlich mit AGB auf sich? Und was passiert, wenn diese sich widersprechen?
Bei Auslandsbezug: Welches Recht ist anwendbar? Welche Gerichte sind zuständig?
Wie besänftige ich „störrische“ Vertragspartner?
Wie können Haftungsregelungen fair und auf Augenhöhe gestaltet sein?
Und, und, und …
Misere exakt benennen können
Christian Hald weist zudem auf die Bedeutung der Kommunikation mit der Gegenseite hin: „Einkauf bzw. Vertrieb müssen die Misere exakt benennen können. Vorher ist zu klären, in welcher Form Abmahnungen und/oder (Mängel-)Anzeige einzuhalten sind.“ Ebenfalls zu beachten: Ausschlussfristen (vertraglich und/oder gesetzlich) sowie das Vorgehen bei Lieferengpässen, etwa wenn der Vertragspartner Fristen versäumt oder wenn er sich gar vom Vertrag lösen will. Auch auf diese Fragen weist Rechtsanwalt Hald hin: Was versteht man unter „Verschulden“? Was hat Force Majeure damit zu tun? Welche Konsequenzen entstehen daraus? Und nicht zu vergessen: „Es gilt sich auch auf ungerechtfertigte Forderungen der Gegenseite professionell einzustellen.“
Fazit
Claim Management sollte als Aspekt des Risikomanagements verstanden bzw. verankert werden. Wer sich erst dann mit Nachforderungen beschäftigt, wenn kleine und große Kinder in den Brunnen gefallen sind, hat nicht nur wesentlich schlechtere Karten, sondern nicht selten auch gestörte bis gekappte Beziehungen. Bei Schadensersatzforderungen ist es wie mit einem Rührei: Ein faules Ei verdirbt die ganze Mahlzeit. Das spielt am Ende auch dem Wettbewerb in die Karten und kann bis zur Existenzbedrohung führen. „Ich rate also zu entsprechenden Trainings, um die Organisation handlungssicher zu machen“, so Christian Hald. Ein Unternehmensbespiel: Jungheinrich, führender Lösungsanbieter für die Intralogistik, hat seine Mannschaft mit Hilfe des spezifischen BPI-Know-hows entsprechend aufgestellt.
Sabine Ursel, 9. Juli 2025, www.sabine-ursel.de



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